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Gleichstellungsgesetz

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Zürich Fall 9

Lohngleichheit für Physiotherapeutinnen

Branche Sozial- und Gesundheitswesen
Geschlecht Frau; Frau; Frau
Stichwörter Lohngleichheit; Arbeitsbewertung; Verbandsklagen; Lohngleichheit; Arbeitsbewertung; Verbandsklagen; Lohngleichheit; Arbeitsbewertung; Verbandsklagen; Lohngleichheit
Rechtsgrundlage Gleichstellungsgesetz
Anstellung öffentlich-rechtlich
Entscheide 3 Entscheide (1996-2003)
Stand rechtskräftig
Verfahrensgeschichte

Kurzzusammenfassung
Zwei Verbände und sechs Betroffene machen geltend, PhysiotherapeutInnen seien bei der Strukturellen Besoldungsrevision, die 1991 lohnwirksam wurde, diskriminierend beurteilt und eingestuft worden. Sie reichen ihre Klage gleichzeitig mit drei anderen Lohnklagen von Krankenschwestern, Berufsschullehrerinnen im Gesundheitswesen und Ergotherapeutinnen (Zürich Fall 7, Zürich Fall 8, Zürich Fall 10) ein, die parallel beurteilt werden. Die Physiotherapeutinnen ziehen zum Vergleich die höher eingestuften Polizeibeamten heran. Das Verwaltungsgericht kommt zum Schluss, Kriterien und Gewichtungen der Vereinfachten Funktionsanalyse, auf der die Besoldungsrevision basierte, seien nicht diskriminierend. Wohl aber korrigiert das Gericht konkrete Einstufungen bei den Kriterien «Ausbildung und Erfahrung» sowie «Geistige Anforderungen». Die Überführung ins neue Besoldungssystem dagegen sei nicht diskriminierend. Es habe dafür finanzielle, also sachliche Gründe gegeben. Aus all diesen Überlegungen resultiert eine Höhereinstufung der PhysiotherapeutInnen um ein bis zwei Lohnklassen, was 600 bis 1'000 Franken pro Monat ausmacht. Die Neueinstufung löst für alle vier Lohnklagen im Gesundheitswesen Mehrkosten von insgesamt 70 Millionen Franken pro Jahr aus. Die Nachzahlungen machten total rund 280 Millionen Franken aus. Die Umsetzung zog selber wieder diverse Folgefälle rings um Nachzahlungen und Neueinstufengen nach sich (vgl. dazu: Zürich Fall 77, Zürich Fall 78, Zürich Fall 79, Zürich Fall 80, Zürich Fall 81, Zürich Fall 82, Zürich Fall 83, Zürich Fall 84, Zürich Fall 85).

01.07.1996
Verbands- und Einzelklagen gegen Kanton Zürich
  • 22.01.2001
    Das Verwaltungsgericht heisst die Klagen teilweise gut
  • Die Verbandsklage zur Feststellung von Lohndiskriminierung bei PhysiotherapeutInnen wird auf Initiative der Aktion gsundi Gsundheitspolitik (AGGP) vom Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) eingereicht, dem sich der Schweizerische Physiotherapeuten-Verband später anschliesst. Die Klage stützt sich auf das Art. 7 Gleichstellungsgesetz (das am Tag der Klageeinreichung in Kraft getreten ist) und inhaltlich auf die Art. 8 Abs. 3 Bundesverfassung (BV alt Art. 4 Abs. 2) und auf das Art. 3 Abs. 1 und 2 Gleichstellungsgesetz. Als Vergleichspersonen werden Polizeibeamte herangezogen. Die Verbandsklage wird ergänzt durch konkrete Lohnnachzahlungsforderungen von sechs Physiotherapeutinnen.
    Nach Beizug diverser Unterlagen aus dem Kindergärtnerinnen- sowie dem Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerinnen-Verfahren (Zürich Fall 6 und Zürich Fall 4) und der Anhörung beider Seiten beschliesst das Verwaltungsgericht im Juni 1998, für alle vier Lohnklagen im Gesundheitswesen (Zürich Fall 7, Zürich Fall 8, Zürich Fall 10) ein gemeinsames arbeitswissenschaftliches Gutachten einzuholen. Dieses liegt im Juli 2000 samt Erläuterungen vor.

    Erwägungen
    Das Gericht hält zunächst fest, dass Physiotherapeutin ein typischer Frauenberuf sei und Polizeiberufe generell männlich identifiziert. Der Vergleich sei also grundsätzlich geeignet, um Lohndiskriminierung zu untersuchen.
    Da die Klägerinnen geltend machen, die Vereinfachte Funktionsanalyse, auf der die Strukturelle Besoldungsrevision basierte, sei bereits in der Auswahl und Gewichtung der Kriterien diskriminierend, wiederholt das Verwaltungsgericht wie bereits im Kindergärtnerinnenverfahren (Zürich Fall 6) und dem Fall der Handarbeits- und Hauswirtschaftlehrerinnen (Zürich Fall 4), dass dies nicht so sei. Es geht auch darauf ein, dass in einem Bericht zur Strukturellen Besoldungsrevision steht, bei der Bewertung pflegerischer, sozialer und erzieherischer Funktionen bestehe die Gefahr eines kumulativen Effekts, weil die intensiven zwischenmenschlichen Kontakte zu Höherbewertungen bei mehreren Kriterien führten. Das Projektgremium habe deshalb Vertikal- und Quervergleiche angestellt und mehrmals Korrekturen in den Einstufungen vorgenommen. Das Gericht hält fest, es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob solche Korrekturen diskriminierend seien.
    Dann untersucht es die Einstufungen im Einzelfall: Die Gutachterin kommt für PhysiotherapeutInnen auf einen Arbeitswert, der deutlich über demjenigen der PolizeisoldatInnen liegt. Letztere reiht sie in Lohnklasse 14 ein, was der tatsächlichen Lohnklasse entspricht, die PhysiotherapeutInnen dagegen in Lohnklasse 16 (statt 12). Dies, so das Verwaltungsgericht, bedeute keineswegs das Vorliegen einer Ungleichbehandlung in diesem Umfang. Es müsse nicht beurteilen, was vielleicht «richtiger» gewesen wäre, sondern könne nur sachlich nicht mehr vertretbare Entscheide korrigieren. Es geht die sechs Kriterien der Vereinfachten Funktionsanalyse Punkt für Punkt durch. Beim Kriterium «Ausbildung und Erfahrung» sei die tiefere Einstufung der PhysiotherapeutInnen nicht nachvollziehbar und diskriminierend. Auch beim Kriterium «Geistige Anforderungen» sei eine Korrektur nach oben zwingend. Beim Kriterium «Psychische Anforderungen/Belastungen» sei ein etwas höherer Wert der PolizeisoldatInnen vertretbar, der bestehende Unterschied jedoch zu gross und sachlich nicht vertretbar. Bei den übrigen Kriterien stellt das Gericht keine Diskriminierung fest.
    Im Resultat kommt das Verwaltungsgericht auf eine tiefere Einstufung der PhysiotherapeutInnen als die Gutachterin, nämlich in Lohnklasse 14 (statt 16). Wenn dieser Frauenberuf tatsächlich tiefer eingereiht sei, müsse der Kanton belegen, dass dies sachliche Gründe habe. Dem sei er nicht nachgekommen. Da PhysiotherapeutInnen nicht einheitlich eingereiht sind, definiert das Verwaltungsgericht die Einreihung der ganzen Funktionskette: gewöhnliche TherapeutInnen gehören in Lohnklasse 14, solche mit besonderen Aufgaben in Lohnklasse 15 bis 17 und Leitende TherapeutInnen in Lohnklasse 17 bis 19.
    Dass PolizeibeamtInnen im Gegensatz zu PhysiotherapeutInnen in den Genuss zusätzlicher Privilegien wie Krankenkassenbeiträgen, Quartiergeld, Funktions- und Dienstzulagen kommen, sei keine Benachteiligung dieses Frauenberufes sondern aller anderen Staatsangestellten. Dasselbe gelte für die automatischen Beförderungsmechanismen. Es könnte hier eventuell auch in Anlehnung an ein Bundesgerichtsurteil (Bundesgerichtsentscheid 126 II 217) mit einer teilweisen Ausrichtung auf den Markt argumentiert werden, die Lohnanreize notwendig mache, um Abwanderungen von Polizisten in die Privatwirtschaft zu verhindern. PhysiotherapeutInnen dagegen sieht das Verwaltungsgericht als Berufsgruppe, die nicht in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft steht.
    Die Überführung ins neue Besoldungssystem, die den Aufholprozess zeitlich etappierte und bei aufholenden Berufen zum Verlust von Erfahrungsstufen führte, empfindet das Gericht ebenfalls nicht als diskriminierend. Es habe dafür finanzielle, also sachliche Gründe gegeben, und es seien nicht nur weiblich identifizierte Funktionen betroffen gewesen. Genauso wenig verletze es das Gleichheitsgebot, wenn der Kanton in einer Sparrunde für Gesundheits- und Erziehungsdepartement, in denen viele Frauen arbeiten, tiefere Beförderungsquoten festsetzte als für die übrigen Direktionen. Gerade dass das Erziehungsdepartement auch eine tiefe Beförderungsquote hatte, zeige dies: Obwohl auch hier mehrheitlich Frauen betroffen waren, arbeiten diese mit Ausnahme der Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerinnen doch nicht in typischen Frauenberufen.

    Entscheid
    Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass die Einreihung der PhysiotherapeutInnen gegen Verfassung und Gleichstellungsgesetz verstösst. Sie müssen neu mindestens in die Lohnklassen 14 (statt 12) eingestuft werden. Zudem hat der Kanton allen von der Diskriminierung Betroffenen für die letzen fünf Jahre Lohnnachzahlungen zu leisten, den Klägerinnen gar ab 1991. Über die genauen Beträge entscheidet das Gericht nicht, da ihm die Berechnungsgrundlagen fehlen. Es fordert die Finanzdirektion auf, diese Rechenarbeit zu leisten und hofft auf eine aussergerichtliche Einigung. Das Verwaltungsgericht hält ausdrücklich fest, dass die entsprechende Lohnerhöhung, «da sie ausschliesslich die (noch) bestehende Diskriminierung auszugleichen hat», nicht den Überführungsregeln der Besoldungsrevision unterworfen werden dürfe. Die Leistungsklagen mit den konkreten Lohnzahlungen der sechs Physiotherapeutinnen werden einstweilen sistiert.

    Quelle
    VK.1996.00015 (vgl. Entscheiddatenbank Verwaltungsgericht Zürich)

    18.02.2003
    Das Verwaltungsgericht schreibt die Klagen ab
  • Im Frühling 2001 erarbeiten der Kanton und die Berufsverbände für alle vier Lohngleichheitsverfahren im Gesundheitswesen eine Vereinbarung, welche die konkreten Neueinstufungen und Überführungen regelt und ab 1. Juli 2001 lohnwirksam wird. Der Kanton richtet eine «Zentralstelle Lohnnachzahlungen für Berufe im Gesundheitswesen» ein, um die Lohnnachzahlungen von rund 280 Millionen Franken an mehrere tausend Personen, die den klagenden Berufsgruppen angehören, abzuwickeln. Nach Abschluss der Nachzahlungen und Neueinstufungen schliessen Kanton, Berufsverbände und Einzelklägerinnen am 6. Januar 2003 einen Vergleich, den sie dem Verwaltungsgericht einreichen.

    Entscheid
    Das Verwaltungsgericht schreibt das Verfahren ab, weil es mit dem Vergleich gegenstandslos geworden ist.

    Quelle
    VK.2003.00003

    Bemerkungen
    Auch den Gesundheitsberufen, die von den vier Lohngleichheitsprozessen nicht erfasst waren wie Pflegedienstleitung, Oberschwester, -pfleger, dipl. Krankenschwester/-pfleger DN I und FA SRK, PflegeassistentIn, PflegehelferIn, Hebamme, Laborberufe, Radiologie, ErnährungsberaterIn sowie AktivierungstherapeutIn gewährt der Kanton Lohnklassenanstiege. Er verweigert Angehörigen dieser Berufsgruppen jedoch Lohnnachzahlungen. Diese pauschale Ablehnung erfolgt zu Unrecht, wie ein neues Verwaltungsgerichtsurteil festhält (vgl. Zürich Fall 79).
    Auch andere Punkte des konkreten Vorgehens bei den Nachzahlungen und Überführungen in höhere Lohnklassen gaben Anlass zu neuen Konflikten (vgl. dazu: Zürich Fall 77, Zürich Fall 78, Zürich Fall 79, Zürich Fall 80, Zürich Fall 81, Zürich Fall 82, Zürich Fall 83, Zürich Fall 84, Zürich Fall 85).

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