Branche | Handel, Detailhandel |
Geschlecht | Frau |
Stichwörter | Sexuelle Belästigung; Präventive Massnahmen; Entschädigung |
Rechtsgrundlage | Gleichstellungsgesetz |
Anstellung | privatrechtlich |
Entscheide | 1 Entscheid (2016) |
Stand | rechtskräftig |
Kurzzusammenfassung
Eine langjährige Angestellte im Lebensmittelverkauf wird seit einigen Monaten von ihrem Chef verbal sexuell belästigt. Nachdem sie die Vorfälle bei dem übergeordneten Vorgesetzten meldet, wird sie durch ihren Chef vermehrt schikaniert, bis sie den Arbeitsplatz nach einem weiteren Zwischenfall verlässt und den Fall wiederum bei übergeordneter Stelle meldet. Bei einem Gespräch mit der Personalverantwortlichen und dem Leiter einer anderen Filiale wird ihr eine Stelle in zwei alternativen Filialen angeboten, jedoch mit der Drohung, ihr werde gekündigt, wenn sie das Angebot nicht annehme. Die Arbeitgeberin bestreitet diesen Vorwurf. Die Schlichtungsbehörde gelangt zum Schluss, dass die Darlegungen der Angestellten glaubwürdig sind. Die Parteien einigen sich auf den Vergleich der Schlichtungsstelle. Die Arbeitgeberin muss ihr eine Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz ermöglichen. Da die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Chef nicht mehr zumutbar erscheint, hat die Arbeitgeberin diesbezüglich eine Lösung zu finden. Weiter erhält die Arbeitnehmerin eine Pauschalentschädigung von 6'000 Franken.
Die Gesuchstellerin ist seit rund zehn Jahren Angestellte im Lebensmittelverkauf eines grossen Detailhandelsunternehmens mit sehr gutem Zwischenzeugnis. Seit einigen Jahren hat sie einen neuen Chef, mit welchem es offenbar verschiedentlich Diskussionen und Konflikte betreffend Terminabsprachen und der Gewährung von freien Tagen zwecks Besorgung persönlicher Angelegenheiten sowie Telefonate des Chefs während freier Tage gegeben hat. In diesem Zusammenhang erhält die Angestellte jeweils Rückendeckung durch den übergeordneten Vorgesetzten, der ihren Chef hinsichtlich seiner Führungsverantwortung ermahnt. Die Gesuchstellerin macht geltend, seit einigen Monaten zusätzlich von ihrem Chef verbal sexuell belästigt worden zu sein. So habe er ihr z.B. einmal gesagt, sie habe schöne Stiefel, die trügen sonst nur Schlampen, oder sie sei zwar klein, aber sicher scharf im Bett etc. Auch habe er mehrmals anzügliche Bemerkungen und Gesten im Zusammenhang mit Fleischstücken gemacht. Anlässlich der Besprechung eines weiteren Terminkonflikts mit dem übergeordneten Vorgesetzten, seinem Stellvertreter und ihrem Chef habe sie die Bemerkung betreffend Stiefeln gemeldet und sich über das Verhalten ihres Chefs beschwert. Dieser habe die Bemerkung nicht in Abrede gestellt, aber als harmlosen Spass bezeichnet. Der übergeordnete Vorgesetzte habe ihn gerügt, aber hinsichtlich sexueller Belästigungen nicht weiter nachgefragt, sondern gesagt, sie solle nicht Kleinigkeiten suchen. In der Folge habe der Chef sie vermehrt schikaniert und ihr mit widersprüchlichen oder sinnlosen Anweisungen die Verrichtung ihrer Arbeit erschwert, bis sie es nicht mehr ausgehalten und den Arbeitsplatz nach einem weiteren schikanösen Angriff verlassen habe. Sie habe diesen Vorfall beim Stellvertreter des übergeordneten Chefs gemeldet und er habe ihr dann die Telefonnummer der Zentrale mitgeteilt, wo sie Unterstützung anfordern könne. Gleichentags habe sie ärztliche Hilfe aufgesucht und sei krankgeschrieben worden. Nach einem Gespräch mit einer Sozialarbeiterin und einer Personalverantwortlichen der Zentrale, welchen sie die sexuellen Belästigungen und Schikanen geschildert habe, sei ein weiteres Gespräch mit der Personalverantwortlichen und dem Leiter einer andern Filiale anberaumt worden. In diesem Gespräch sei ihr alternativ eine Arbeitsstelle in zwei andern Filialen angeboten worden. Dabei habe man ihr klargemacht, dass ihr gekündigt werde, wenn sie das Angebot nicht annehme. Es gehe aber nicht an, dass sie als belästigte Person den Arbeitsplatz wechseln müsse. Die Gesuchgegnerin stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, man habe die nötigen Abklärungen getroffen und die Sachdarstellungen der Gesuchstellerin und ihres Chefs seien divergent, so dass man nicht wisse, was wirklich vorgefallen sei. Es stimme nicht, dass man der Gesuchstellerin mit Kündigung gedroht habe. Sie könne jederzeit an ihren Arbeitsplatz zurück.
Erwägungen
Die Schlichtungsbehörde gelangt nach ausführlicher Befragung der Parteien und Sichtung der eingereichten Unterlagen zum Schluss, dass die Darstellung der Gesuchstellerin betreffend sexuelle Belästigungen und Schikanen glaubwürdig sind und die Arbeitgeberin ihrer Präventions- und Abhilfepflicht nach Gleichstellungsgesetz nur ungenügend nachgekommen ist, zudem auch ihre Abhilfepflicht weiterhin verletzt, wenn sie nicht für einen genügenden Schutz der Gesuchstellerin am bisherigen Arbeitsplatz besorgt ist, sondern von ihr einen Arbeitsplatzwechsel erwartet. Die Arbeitgeberin hat der Gesuchstellerin eine Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass sie ihre Arbeit belästigungsfrei verrichten kann. Nach dem Vorgefallenen erscheint eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen Chef nicht mehr zumutbar, so dass die Arbeitgeberin diesbezüglich eine Lösung zu treffen hat.
Entscheid
Die Parteien einigen sich schliesslich dem Vorschlag der Schlichtungsbehörde entsprechend unter Widerrufsvorbehalt dahingehend, dass die Arbeitgeberin sich verpflichtet, der Gesuchstellerin eine Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz unter voller Wahrung ihrer Integrität und Persönlichkeitsrechte zu gewährleisten und ihr eine Pauschalentschädigung von 6'000 Franken leistet. Mangels Widerrufs wird das Verfahren als durch Vergleich erledigt abgeschrieben.
Quelle
Schlichtungsbehörde nach Gleichstellungsgesetz, Verfahren 8/2016