Branche | Handel, Detailhandel |
Geschlecht | Frau |
Stichwörter | Kündigung; Diskriminierende Kündigung; Sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität; Transidentität; Entschädigung; Schadenersatz, Genugtuung |
Rechtsgrundlage | Gleichstellungsgesetz |
Anstellung | privatrechtlich |
Entscheide | 2 Entscheide (2009-2010) |
Stand | rechtskräftig |
14.12.2009 | Die Schlichtungsstelle stellt die Klagebewilligung aus |
12.11.2010 | Das Bezirksgericht erzielt Vergleich |
Kurzzusammenfassung
Eine Maschinenführerin wird nach ihrem Coming-Out als trans Frau von ihrer Arbeitgeberin diskriminiert. Ihre Transidentität wird nicht anerkannt, so dass sie weder die Damentoilette benutzen darf, noch mit ihrem weiblichen Vornamen angesprochen wird. Als sie sich über die schwierigen Arbeitsumstände beschwert, erhält sie die Kündigung. Daraufhin macht sie bei der Schlichtungsbehörde diskriminierende Kündigung gemäss Art. 3 Abs. 3 Gleichstellungsgesetz geltend und fordert Entschädigung gemäss Art. 10 Abs. 2 Gleichstellungsgesetz und Genugtuung gemäss Art. 5 Abs. 5 Gleichstellungsgesetz. Die ehemalige Arbeitgeberin bestreitet die Vorwürfe vollumfänglich und gibt an, nicht die Transidentität sei Grund für die Kündigung gewesen, sondern schlechte Arbeitsleistungen. Die Schlichtungsbehörde bestätigt die Anwendbarkeit des Gleichstellungsgesetzes auf den Fall, erzielt aber keine Einigung. Vor dem Bezirksgericht einigen sich die Parteien auf einen Vergleich.
Die Maschinenführerin in der Verpackungsindustrie („PET-Abfüllung“) arbeitet seit 1998 bei der Gesuchgegnerin. Erst im Dezember 2007 outet sie sich als trans Frau und orientiert ihre Vorgesetzte. Sie teilt ihr mit, dass sie ab dem 1. Januar 2008 als Frau zur Arbeit erscheinen werde, da dies im Rahmen des Prozesses zur geschlechtsangleichenden Operation zwingend sei und informiert sie über die anstehende Hormonbehandlung sowie die notwendigen Operationen zur Geschlechtsangleichung. Laut Angaben der Gesuchstellerin sei sie daraufhin massiv diskriminiert worden. So wird ein von ihr aufgehängtes Informationsschreiben für ihre Arbeitskollegen sofort wieder entfernt, sie darf die Damentoiletten nicht benutzen und wird während der Hormontherapie zu schwerer körperlicher Arbeit eingeteilt. Auch nach ihrer offiziellen Namensänderung im April 2009 wird sie im Betrieb nach wie vor als Mann angesprochen. Schliesslich erklärt der Teamleiter der Gesuchstellerin, dass das Geschlecht „gottgegeben“ sei und nicht vom Menschen geändert werden dürfe. Gegen diese Behandlungen beschwert sich die Gesuchstellerin wiederholt erfolglos und erhält am 25. Juni 2009 die Kündigung.
Sie gelangt an die Schlichtungsstelle, welche ihre Zuständigkeit und die Anwendbarkeit des Gleichstellungsgesetztes auf den Fall bestätigt. Vor der Schlichtungsstelle macht die Gesuchstellerin eine diskriminierende Kündigung nach Art. 3 Abs. 2 Gleichstellungsgesetz geltend und fordert, die Kündigung als ungültig zu erklären und ihre Arbeitgeberin zu verpflichten, künftig von jeglicher Diskriminierung auch bei der Aufgabenzuteilung abzusehen. Sie sei wieder einzustellen und die entsprechend Art. 10 Abs. 2 Gleichstellungsgesetz ausstehenden Gehälter während der Dauer des Kündigungsschutzes von 6 Monaten (CHF 38'856.90) seien zu bezahlen. Gestützt auf Art. 5 Abs. 5 Gleichstellungsgesetz verlangt sie eine Genugtuungszahlung von CHF 10'000. Ausserdem möchte sie ein Arbeitszeugnis entsprechend ihres Vorschlages und empfiehlt der Gesuchgegnerin, ein internes funktionierendes Verfahren zur Behandlung von geschlechterdiskriminierenden Fällen zu etablieren. Die Gesuchgegnerin lehnt alle Forderungen ab.
Entscheid
Die Parteien können sich nicht einigen und die Schlichtungsbehörde stellt die Klagebewilligung aus.
Quelle
Weisung der Schlichtungsstelle des Kantons Thurgau nach Gleichstellungsgesetz
Die Maschinenführerin gelangt nach der gescheiterten Schlichtung an das Bezirksgericht. Sie macht weiterhin diskriminierende Kündigung nach Art. 3 Abs. 2 Gleichstellungsgesetz geltend und fordert, die Kündigung für ungültig zu erklären, die ausstehenden Gehälter (6 Monatslöhne, total: CHF 38'856.90) und eine Genugtuungszahlung von CHF 10'000. Wieder bei der Beklagten arbeiten möchte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Auch vor dem Bezirksgericht bestreitet die ehemalige Arbeitgeberin die Klage in allen Punkten sowie die Anwendbarkeit des Gleichstellungsgesetzes auf den Fall.
Entscheid
Die Parteien einigen sich auf einen Vergleich. Gemäss der Weisung der Schlichtungsstelle vom 14.12.09 reduziert die Klägerin ihr Klagebegehren auf insgesamt CHF 23'000. Die Beklagte akzeptiert diese Forderung.
Quelle
Entscheid des Bezirksgerichts Bischofszell vom 12. November 2010 in Sachen G § 22