Branche | anderes |
Geschlecht | Mann |
Stichwörter | Familiäre Situation; Vaterschaft |
Rechtsgrundlage | Art. 8 Bundesverfassung |
Anstellung | öffentlich-rechtlich |
Entscheide | 2 Entscheide (2013-2014) |
Stand | rechtskräftig |
17.10.2013 | Das Verwaltungsgericht weist die Beschwerde ab |
15.06.2014 | Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab |
Kurzzusammenfassung
Der Beschwerdeführer fühlt sich aufgrund seines Geschlechts diskriminiert, da die Ausgleichskasse seinen Antrag auf sechs Wochen Elternurlaub ablehnt. Das Verwaltungsgericht hält fest, dass die Ungleichbehandlung von Mann und Frau auf biologischen und funktionalen Unterschieden beruht und somit gerechtfertigt ist. Es lehnt die Beschwerde ab. Zum selben Schluss kommt in einer späteren Beurteilung auch das Bundesgericht.
Der Beschwerdeführer meldet sich nach der Geburt seines Kindes für eine Elternschaftsentschädigung bzw. einen Elternurlaub von sechs Wochen gemäss Erwerbsersatzgesetz an. Der Anspruch wird verneint, da ein solcher für Väter nicht vorgesehen sei. Der Beschwerdeführer sieht darin eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots von Art. 8 Abs. 3 Bundesverfassung. Er fordert daher, dass die entsprechenden Artikel im Erwerbsersatzgesetz (Art. 16 b ff. EOG) so interpretiert werden, dass sie auch auf Männer anwendbar sind. Der Beschwerdeführer macht zudem eine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK geltend.
Erwägungen
Das Verwaltungsgericht hält fest, dass der Wortlaut des Erwerbersatzgesetzes unmissverständlich ist und nicht im Sinne des Beschwerdeführers ausgelegt werden kann. Laut Art. 16 b Abs. 1 EOG steht der Mutterschaftsurlaub Frauen zu, welche während neun Monaten vor der Niederkunft obligatorisch versichert waren, in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang erwerbstätig waren und im Zeitpunkt der Niederkunft eine Arbeitnehmerin, selbständig erwerbend oder im Betrieb des Ehemannes angestellt waren. Das Gesetz spricht in seinem Wortlaut von „Mütter“ und „Frauen“ als Berechtigte. Eine grammatikalische Auslegung entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hatte in der parlamentarischen Beratung die Vaterschaftsversicherung zwar thematisiert, den Urlaubsanspruch aber letztlich bewusst auf Mütter beschränkt.
Eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau ist laut Bundesgericht zulässig, wenn auf dem Geschlecht beruhende biologische oder funktionale Unterschiede eine Gleichbehandlung absolut ausschliessen.
Die Entschädigung dient vorab dazu, der Mutter nach der Geburt eine Pause zu ermöglichen und die wirtschaftlichen Folgen eines durch die Geburt bedingten Arbeitsunterbruch sozial zu versichern. Die Ungleichbehandlung folgt vorliegend biologischen und funktionalen Gründen und ist dadurch gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer anerkennt die sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung für erwerbstätige Mütter für die ersten acht Wochen nach der Geburt, nicht jedoch in der Zeit danach. Das Verwaltungsgericht sieht es nicht als erwiesen, dass die schutzwürdigen Gründe für die Gewährung des Mutterschaftsurlaubs nach acht Wochen plötzlich wegfallen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Wöchnerinnen von der 9. bis zur 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftig werden dürfen (Art. 35a Abs. 3 Arbeitsgesetz).
Im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung von Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK stützt sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Konstantin gegen Russland. In diesem Entscheid wurde festgehalten, dass der Elternurlaub, sollte er den gesetzlich vorgesehen sein, geschlechtsneutral gewährt werden muss. Elternurlaub unterscheidet sich jedoch von Mutterschaftsurlab. Da die Schweiz keinen Elternurlab kennt, ist dieser Entscheid für sie nicht massgebend.
Entscheid
Die Beschwerde wird abgewiesen, es werden weder Verfahrenskosten erhoben noch eine Parteientschädigung zugesprochen.
Quelle
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, 200 13 160 EO
EGMR, Konstantin Markin gegen Russland, Nr. 30078/06
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die biologischen bzw. funktionalen Gründe spätestens acht Wochen nach der Geburt nicht mehr vorgebracht werden können und somit ab diesem Zeitpunkt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung besteht.
Erwägungen
Die Auslegung von Gesetzen darf nicht nach subjektiven Wertvorstellungen erfolgen. Sowohl der Wortlaut des Erwerbsersatzgesetzes als auch der Wille des Gesetzgebers zeigen eindeutig, dass die Erwerbsersatzentschädigung einzig für Mütter gedacht ist. Frauen haben den gesetzlich geschützten Anspruch auf 14 Wochen garantierten Mutterschaftsurlaub. Dieser kann nicht zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Eine Ungleichbehandlung von Frau und Mann ist vorliegend aufgrund biologischer bzw. funktionaler Unterschiede gerechtfertigt. Das Bundesgericht hält zudem fest, dass die Schweizerischen Gesetze im Bereich der Sozialleistungen EMRK-konform sind. Den Staaten wird in diesem Bereich ein weiter Ermessensspielraum gewährt. Eine positive Verpflichtung zur Gewährung von Elternurlaub lässt sich aus der Rechtsprechung des EGMR nicht ableiten.
Entscheid
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Quelle
Bundesgerichtsentscheid 9C_810/2013
Bemerkungen
Für einen ausführlichen Kommentar zum Bundesgerichtsentscheid 9C_810/2013 siehe hier.