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Gleichstellungsgesetz

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Zug Fall 6

Nichtfortführung der Kommission für Chancengleichheit von Frau und Mann

Branche anderes
Geschlecht
Stichwörter Diskriminierung; Diskriminierung, weitere
Rechtsgrundlage Art. 8 Bundesverfassung
Anstellung
Entscheide 2 Entscheide (2011-2017)
Stand rechtskräftig
Verfahrensgeschichte

Kurzzusammenfassung
Die Beschwerdeführenden – verschiedene Parteien, Organisationen und Einzelpersonen – wehren sich vor Bundesgericht gegen die Abschaffung der Kommission für Chancengleichheit von Frau und Mann des Kantons Zug. Das Bundesgericht weist die Beschwerde 2011 ab, macht aber deutlich, dass der Kanton Zug verpflichtet ist, einen Ersatz für die bisherige Kommission für die Gleichstellung bzw. die Chancengleichheit von Frau und Mann vorzusehen.
Sechs Jahre später wenden sich 19 Personen erneut ans Bundesgericht und werfen dem Kanton Zug Rechtsverweigerung vor. Es sei kein Ersatz für die ehemalige Gleichstellungskommission eingeführt worden. Das Bundesgericht weist auch diese Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

21.11.2011
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
  • Die Beschwerdeführenden – die Partei Alternative, die Grünen Zug, die Christlich-soziale Partei Zug und die Sozialdemokratische Partei des Kantons Zug, die Juristinnen Schweiz, der Gewerkschaftsbund des Kantons Zug, die OFRA Zug sowie zwölf Einzelpersonen – wehren sich gegen die Abschaffung der Kommission für Chancengleichheit von Frau und Mann des Kantons Zug. Der Kanton beschloss 1995, das vier Jahre zuvor eingeführte Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann wieder abzuschaffen. 1998 wurde, befristet bis 31. Dezember 2010, eine Kommission für die Gleichstellung eingerichtet. Im Februar 2010 schlägt der Regierungsrat vor, die Kommission unter neuem Namen für acht Jahre weiterzuführen. Die Staatswirtschaftskommission beantragt Nichteintreten, da sie eine solche Stelle nicht für notwendig hält. Der Kantonsrat lehnt daraufhin am 28. Oktober 2010 die Weiterführung der Kommission knapp – mit 37 zu 36 Stimmen – ab.
    Die Beschwerdeführerinnen machen vor Bundesgericht geltend, dass sich aus Art. 8 Abs. 3 Satz 2 Bundesverfassung sowie aus der kantonalen Verfassung (Art. 5 Abs. 2 KV) ein Auftrag zur Förderung und Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann ableiten lässt. Dies ergebe sich auch aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz gemäss Art. 2 lit. a CEDAW-Übereinkommen (Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979). Sie beantragen, dass der Kanton verpflichtet werden soll, den Verfassungsauftrag zu erfüllen, die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem CEDAW-Übereinkommen umzusetzen und eine Kommission und/oder eine Fachstelle zu schaffen, die den Geschlechtergleichstellungsauftrag wahrnimmt.

    Erwägungen
    Das Bundesgericht überprüft, ob die kantonalen Gesetzgeber in rechtswidriger Weise untätig geblieben sind. Diese materiell-rechtliche Prüfung der Beschwerde ist möglich, da sich die Beschwerdeführerinnen auf einen hinreichend bestimmten Auftrag in der Verfassung und im CEDAW-Übereinkommen berufen. Das Bundesgericht hält anhand von Statistiken und Berichten fest, dass die Gleichstellung im Kanton Zug noch nicht erreicht und der Gleichstellungsauftrag aus der Verfassung und dem CEDAW daher nicht erfüllt ist.
    Das Bundesgericht führt aus, dass sich aus Art. 8 Abs. 3 Satz 2 Bundesverfassung ein Sozialgestaltungsauftrag ableiten lasse. Wie die konkreten Massnahmen und Instrumente zur Erfüllung dieses Auftrags aussehen sollen, ergibt sich jedoch nicht aus der Verfassung. Die meisten Kantone haben sich zur Einführung von Gleichstellungsbüros und Kommissionen entschieden, es können jedoch auch andere Massnahmen zielführend sein. Das Bundesgericht denkt hierbei etwa an den Erlass von Richtlinien, Kaderschulungen oder die Anstellung von Fachpersonen.
    Das CEDAW-Übereinkommen hält die Vertragsstaaten dazu an, Institutionen zur Überwachung der Gleichstellung zu schaffen. Dies gilt sowohl für den Bund als auch für die Kantone. Es ergibt sich jedoch auch daraus keine verbindliche Vorgabe für eine konkrete Einrichtung.
    Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass sich weder aus der Verfassung noch aus dem CEDAW-Übereinkommen verbindliche Vorgaben für eine bestimmte organisatorische Einrichtung entnehmen lassen und lehnt die Beschwerde ab. Es hält den Kanton Zug jedoch dazu an, Gleichstellungsprojekte zu erarbeiten und zu finanzieren, um dem verfassungs- und völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Gleichstellung von Frau und Mann nachzukommen. Der Kanton Zug muss daher eine Ersatzlösung präsentieren.

    Entscheid
    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Der Kanton Zug ist verpflichtet, einen Ersatz für die bisherige Kommission vorzusehen. Die Wahl der institutionellen Massnahme liegt im Ermessen des Kantons. Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen gesprochen.

    Quelle
    BGE 137 I 305 / Bundesgerichtsentscheid 1C_549/2010

    Bemerkungen
    Zahlreiche Besprechungen zu diesem Urteil sind erschienen. Unter anderem:

    • Judith Wyttenbach im SKMR-Newsletter vom 1. Februar 2012: «Deutliche Worte aus Lausanne zur Gleichstellung – aber Abweisung der Beschwerde» siehe hier
    • Mélanie Mader, in: La Jurisprudence du Tribunal fédéral en matière de droit public publiée en 2011, chapitre 2.1, no. 11. Revue de droit administratif 2012 I p. 368
    • Regula Kägi-Diener, recht 2012, S. 30ff
    • Regula Kägi-Diener, Aktuelle Juristische Praxis AJP 2012, S. 400ff
    • Tarek Naguib, Bedeutung des BGE 137 I 305 für den institutionellen Diskriminierungsschutz auf kantonaler Ebene, Aktuelle Juristische Praxis AJP 2012, S. 915-932
    • Walter Kälin, in: Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesge-richtes in den Jahren 2011 und 2012, Kapitel III 1.2., ZBJV 148/2012, S. 684ff
    19.10.2017
    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt

  • Gemäss Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2011 kann der Kanton Zug nicht zur Wiederherstellung bzw. Schaffung einer Gleichstellungskommission oder –fachstelle verpflichtet werden. Das Bundesgericht hatte jedoch klar festgehalten, dass der Kanton eine Ersatzlösung treffen müsse, „d.h. er müsse vorsehen, von wem, wie und mit welchen Mitteln der Gleichstellungsauftrag künftig umgesetzt werden solle. Ein Verzicht auf staatliche bzw. staatlich geförderte Gleichstellungsmassnahmen wäre verfassungswidrig“ (BGE 1C­_504/2016). In der Folge schlug der Regierungsrat im März 2016 ein kantonales Gesetz über die Gleichstellung von Mann und Frau vor. Auf die entsprechende Vorlage tritt der Kantonsrat im September desselben Jahres jedoch knapp nicht ein. Daraufhin gelangen im Oktober 2016 insgesamt 19 Personen erneut mit Beschwerde an das Bundesgericht. Sie führen aus, der Kanton Zug habe noch keinen Ersatz für die bisherige Gleichstellungskommission eingeführt und damit eine Rechtsverweigerung oder zumindest eine rechtlich nicht akzeptable Rechtsverzögerung begangen. Der Kanton sei damit seinen Verpflichtungen zur Förderung und Verwirklichung der Gleichstellung von Frau und Mann nicht nachgekommen und habe auch keine Massnahmen eingeleitet, welche die Umsetzung dieser Verpflichtung vorbereiten könnte.
    Die Direktion des Innern des Kantons Zug als Beschwerdegegnerin vertritt in ihrer Vernehmlassung die Ansicht, dass ausreichend Massnahmen im Bereich Gleichstellung gewährleistet seien. Nachdem der Kantonsrat nicht auf das Gesetz über die Gleichstellung eingetreten ist, sei im November 2016 eine Verordnung zur Gleichstellung von Frau und Mann sowie ein Massnahmenplan erlassen worden. Bis zum Erlass dieser Verordnung habe der Kanton seit 2012 trotz fehlender Rechtsgrundlage verschiedene Projekte im Bereich der Gleichstellung umgesetzt; so zum Beispiel zur Förderung des Kinderbetreuungsangebots oder familienfreundlichen Arbeitsbedingungen. Seit dem Bundesgerichtsentscheid von 2011 hätten sich Regierung und Verwaltung in mindestens 40 Geschäften mit der Thematik Gleichstellung befasst. Deshalb beantragt der Kantonsrat, die Beschwerde sei gegenstandslos und somit abzuschreiben.
    Die Beschwerdeführenden sehen in dieser kantonalen Verordnung keinen effektiven Beitrag an die Geschlechtergleichheit, da keine personellen Ressourcen und kein Budget für die Förderung der Gleichstellung bereitgestellt worden seien. Zudem sei der Massnahmenplan nicht veröffentlicht worden, was an seiner Verbindlichkeit zweifeln lasse. In diesem Licht betrachtet erachten die Beschwerdeführenden die kantonale Gesetzgebungstätigkeit als blosse «Lippengeständnisse ohne konkrete Auswirkungen».

    Erwägungen
    Das Bundesgericht prüft vorerst, ob die Verordnung zur Gleichstellung von Frau und Mann von 2016 trotz fehlender formell-gesetzlicher Grundlage rechtsgültig erlassen werden konnte. Wäre dies nicht der Fall, so wäre sie von vornherein ungeeignet, den verfassungs- und völkerrechtlichen Regelungsauftrag zu erfüllen. Laut Bundesgericht spricht für die Notwendigkeit eines formellen Gesetzes, dass Massnahmen betreffend Gleichstellungsgesetz im Kanton Zug offensichtlich politisch umstritten sind. Das Bundesgericht zieht dann allerdings in Betracht, dass sich zum Beispiel in den Kantonen Zürich und Genf ähnliche Regelungen ebenfalls nur auf Verordnungsstufe finden. In den Kantonen Graubünden und Appenzell-Ausserrhoden wird die Gleichstellung sodann lediglich in Verwaltungsorganisationserlassen erwähnt und die Verantwortung einer Verwaltungseinheit zugewiesen. Im Kanton Aargau wiederum findet sich für die Fachstelle Familie und Gleichstellung weder im Organisationsgesetz noch in der entsprechenden Verordnung ein ausdrücklicher Hinweis. Gemäss Bundesgericht ist damit in der Gleichstellungsverordnung eine zulässige Lösung, um den seit Oktober 2010 bestehenden regungslosen Zustand zu ändern, zu sehen. Es hält fest, dass die Verordnung «die minimale organisatorische Basis für die Fortführung der Zuger Gleichstellungspolitik nach Abschaffung der Gleichstellungskommission geschaffen hat». Der Kanton ist somit nicht untätig geblieben, auch wenn nicht ohne Weiteres feststehe, ob die nach Gleichstellungsverordnung zuständigen Stellen über die notwendigen personellen und sachlichen Ressourcen verfügen. Auf die Forderung seitens der Beschwerdeführenden nach weitergehenden Massnahmen geht das Bundesgericht nicht ein, da dies den Rahmen des gerichtlichen Rechtsschutzes sprenge. So ist es in erster Linie Sache des kantonalen Gesetz- und Verordnungsgebers, entsprechende Gesetzgebungsaufträge umzusetzen und zu konkretisieren. Auch könne es einem Kanton «bei beschränkten finanziellen und personellen Ressourcen nicht verwehrt sein, Schwerpunkte zu setzen und gewisse Gleichstellungsanliegen zurückzustellen». Ohne klare und konkrete rechtliche Vorgaben könne das Bundesgericht somit nicht selber Massnahmen anordnen oder solche ergänzen.

    Entscheid
    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist bzw. sie nicht gegenstandslos geworden ist. Es werden keine Kosten erhoben. Der Kanton Zug hat die Beschwerdeführenden für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt 2'000 Franken zu entschädigen, da die Beschwerde zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, als noch keine Ersatzlösung für die 2010 weggefallene Gleichstellungskommission vorlag.

    Quelle
    Bundesgerichtsentscheid 1C_504/2016

    © Die Fachstellen für Gleichstellung in der Deutschschweiz