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Zürich Fall 12

Sexuelle Belästigung von Hotelfachschülerinnen

Branche Gastgewerbe
Geschlecht Frau
Stichwörter Kündigung; Diskriminierende Kündigung; Sexuelle Belästigung; Präventive Massnahmen; Entschädigung; Schadenersatz, Genugtuung
Rechtsgrundlage Gleichstellungsgesetz
Anstellung privatrechtlich
Entscheide 6 Entscheide (1996-1998)
Stand rechtskräftig
Verfahrensgeschichte

Kurzzusammenfassung
Zwei ausländische Hotelfachschülerinnen werden in ihrem Praktikumsbetrieb vom Vorgesetzten verbal und tätlich sexuell belästigt. Sie wenden sich an einen Rechtsanwalt und verweigern die Weiterarbeit bis zur Entlassung des Belästigers. Der beschuldigte Vorgesetzte erhebt eine Ehrverletzungsklage. Das Hotel kündigt den Praktikantinnen fristlos. Diese reagieren mit einer Strafklage gegen den Belästiger und ziehen den Arbeitgeber vor Arbeitsgericht, wobei sie mit sexueller Belästigung gemäss Art. 4 Gleichstellungsgesetz argumentieren. Es laufen nun also drei Verfahren parallel. Bis zum Abschluss des Strafverfahrens werden die beiden anderen Verfahren sistiert. Auf die Strafanzeige tritt das Bezirksgericht anderthalb Jahre später wegen einer verpassten Frist jedoch nicht ein. Somit wird das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Zürich aufgenommen, welches das Verhalten des Arbeitgebers zu beurteilen hat. Es betrachtet die Belästigungen als erwiesen. Da das renommierte Hotel seine Schutzpflicht nicht wahrnahm und auch keine präventiven Massnahmen gegen sexuelle Belästigung (wie Aufklärung oder Bezeichnung einer Anlaufstelle) traf, muss es hohe Entschädigungen wegen sexueller Belästigung und diskriminierender Kündigung zahlen sowie zusätzliche Genugtuungen. Der Vorgesetzte zieht daraufhin seine Ehrverletzungsklage zurück.

15.11.1996
Ehrverletzungsklage gegen Hotelfachschülerinnen
  • 12.12.1996
    Strafanzeige gegen Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung
  • 16.12.1996
    Klage gegen Arbeitgeber beim Arbeitsgericht
  • 04.06.1998
    Das Bezirksgericht Zürich tritt nicht auf die Strafklage ein
  • 30.09.1998
    Das Arbeitsgericht Zürich heisst die Klage teilweise gut
  • Die Hotelfachschülerinnen absolvieren in einem Zürcher Hotel ihr einjähriges Praktikum. Nach zwei Monaten informieren sie die Schule darüber, dass ihr Vorgesetzter sie regelmässig sexuell belästige. Sie wollen die Sache jedoch selber regeln und wenden sich an einen Anwalt. Mit seiner Hilfe schildern sie in einem Brief an die Hoteldirektion die Belästigungen und teilen mit, dass sie die Arbeit verweigern bis der Belästiger entlassen werde. Das Hotel bestreitet die Vorwürfe postwendend, obwohl der Beschuldigte in den Ferien weilt. Es weist die Praktikantinnen schriftlich an, am nächsten Tag zur Arbeit zu erscheinen, was diese nicht tun. Nach der Rückkehr des Beschuldigten kündigt das Hotel ihnen fristlos. Die Hotelfachschülerinnen erheben Einsprache gegen diese Kündigungen und legen ärztliche Zeugnisse vor. Jetzt ist der Hoteldirektor bereit, weitere Hotelangestellte zu befragen. Da die Praktikantinnen bald darauf neue Stellen finden, teilt das Hotel mit, es betrachte die Einsprachen nun als gegenstandslos. Dieses Verhalten des Arbeitgebers ziehen die Praktikantinnen vor Arbeitsgericht und machen dort auch Diskriminierung durch sexuelle Belästigung gemäss Art. 4 Gleichstellungsgesetz geltend. Der beschuldigte Vorgesetzte reicht schon vorher eine Ehrverletzungsklage ein. Die Praktikantinnen strengen nun ein Strafverfahren wegen sexueller Belästigung (gemäss Artikel 198 des Strafgesetzbuches) gegen ihn an. Es laufen nun also drei Verfahren parallel. Bis das Strafverfahren entschieden ist, werden die anderen beiden Verfahren sistiert. Anderthalb Jahre später tritt das Bezirksgericht nach ausführlichen Einvernahmen aus formellen Gründen nicht auf die Strafklage ein: Die Praktikantinnen haben eine nur im Strafverfahren bindende Frist verpasst, die besagt, dass der Strafantrag innert drei Monaten nach der Tat bei der Polizei unterschrieben werden muss. Jetzt nimmt das Arbeitsgericht, das keine solch engen Fristen kennt, das Verfahren wieder auf. Die Praktikantinnen klagen dort gemäss Obligationenrecht gegen ihre fristlose Kündigung und verlangen Entschädigungen sowie Genugtuung. Gestützt auf das Art. 5 Abs. 2 und 3 Gleichstellungsgesetz fordern sie sodann Entschädigungen wegen sexueller Belästigung sowie diskriminierender Kündigung. Die lange Liste der Beschuldigungen reicht von regelmässigen handfesten unerwünschten Berührungen an Brüsten und Gesäss, von Griffen unter den Rock und dem Öffnen von Blusenknöpfen bis zu zahlreichen sexuell belästigenden verbalen Aufforderungen. Der Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe kategorisch. Und das Hotel stellt sich hinter ihn: Die Vorwürfe hätten unter den übrigen MitarbeiterInnen nur Verwunderung ausgelöst. Niemand habe entsprechende Beobachtungen gemacht.

    Erwägungen
    Das Arbeitsgericht zieht die Akten aus Straf- und Ehrverletzungsverfahren bei und führt selber ein umfangreiches Beweisverfahren. Alle noch beim Hotel beschäftigten MitarbeiterInnen stellen sich als ZeugInnen hinter den Beschuldigten. Verschiedene sagen aus, er sei ein Charmeur und Spassvogel, der Sprüche klopfe und Komplimente mache, aber kein sexueller Belästiger. Der Beschuldigte selber streitet nicht alles ab, stellt die Vorkommnisse aber als harmlos dar: Wenn er zum Beispiel das Aussehen einer Frau lobe, sei das keine sexuelle Belästigung. Ehemalige Mitarbeiterinnen und Praktikantinnen äussern sich kritischer: Er habe dumme, mehrheitlich anzügliche und teilweise perverse Sprüche gemacht und ihnen die Hand aufs Knie gelegt. Es sei seine Art gewesen, Frauen zu berühren. Sex sei für ihn schon ein Thema gewesen, und er habe Freude an jungen Mädchen gehabt. Eine Frau sagt aus, seine Belästigungen seien schon ein Grund für ihre Kündigung gewesen. Eine andere erklärt, sie habe es nicht ernst genommen, wenn er sagte, er wolle mit ihr ins Bett. Das sei halt sein Temperament.
    Da es keine direkten ZeugInnen für die Belästigungen gibt, stützt sich der Prozess allein auf Indizien. Das Gericht konstatiert eine auffallende Übereinstimmung der Aussagen und schätzt die Glaubwürdigkeit des Vorgesetzten negativ ein. Die Aussagen der ehemaligen Mitarbeiterinnen «belegen mit hinlänglicher Deutlichkeit, dass unzulässige verbale oder körperliche Belästigungen von weiblichen Mitarbeiterinnen keine Ausnahme, sondern eher der Normalfall waren». Die Sachdarstellung der Klägerinnen werde somit von einer genügenden Anzahl weiterer wichtiger Indizien untermauert. Es folgt eine lange Aufzählung von Belästigungen, die sich klar erhärten liessen.
    Der Begriff der sexuellen Belästigung, so führt das Arbeitsgericht aus, werde weder im Gleichstellungsgesetz noch anderswo im schweizerischen Recht klar definiert. Ob ein sexueller Aspekt vorliegt, sei oft nur aus dem Kontext zu beurteilen. Dafür, was belästigend sei, müsse gemäss Rechtslehre nicht auf das subjektive Empfinden des Opfers im Einzelfall, sondern auf das Durchschnittsempfinden weiblicher Personen abgestellt werden. Das Verhalten des Vorgesetzten im vorliegenden Fall erfülle aber ohne Zweifel die Voraussetzungen der sexuellen Belästigung. Das Argument, es sei halt im Gastgewerbe üblich, Mitarbeiterinnen «an den Hintern zu langen» überzeuge nicht. Es gehe hier auch nicht um ein Animierlokal, sondern um einen seriösen Hotelbetrieb.
    Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gemäss Obligationenrecht (Artikel 337c) waren nicht gegeben. Da die Anschuldigungen richtig waren, liegt keine Ehrverletzung vor. Zur Arbeitsverweigerung waren die Klägerinnen berechtigt, bis das Hotel Schutzmassnahmen ergriff. Somit haben sie Anspruch auf Lohnersatz bis zum Antritt einer neuen Stelle. Die fristlose Kündigung war zugleich diskriminierend im Sinne des Gleichstellungsgesetzes, weil sie aufgrund von Vorwürfen sexueller Belästigung erfolgte. Eine Aufsummierung der Entschädigungsansprüche wegen fristloser Entlassung gemäss Obligationenrecht (Artikel 337c) und diskriminierender Kündigung gemäss Art. 5 Abs. 4 Gleichstellungsgesetz ist jedoch nicht möglich.

    Entscheid
    Dass die Entlassung der Hotelfachschülerinnen rechtswidrig und diskriminierend war, zieht Lohnnachzahlungen und eine Entschädigung nach sich. Bei Würdigung aller Umstände hält das Arbeitsgericht aber die maximal mögliche Summe von sechs Monatslöhnen für angebracht. Die Praktikantinnen haben zusätzlich Anspruch auf eine Entschädigung wegen ungenügender präventiver Massnahmen des Arbeitgebers gegen sexuelle Belästigung in der Höhe von je drei durchschnittlichen Schweizer Monatslöhnen. Weil ihre psychische Gesundheit schwer beeinträchtigt wurde und entsprechende Behandlungen nach sich zog, spricht das Arbeitsgericht ihnen zusätzlich eine Genugtuung von je 7'000 Franken zu. Hinzu kommt, dass ihnen das Hotel eine Prozessentschädigung zahlen muss.

    Quelle
    AN961194

    Bemerkungen
    Aufgrund des Arbeitsgerichtsentscheids zieht der Vorgesetzte seine Ehrverletzungsklage zurück. Er muss den Praktikantinnen eine Umtriebsentschädigung zahlen.

    15.12.1998
    Das Bezirksgericht Zürich schreibt die Ehrverletzungsklage ab
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